Gründungssitzung, 22.-23. März 1996
Leipzig, Die Deutsche Bibliothek, Deutsche Bücherei, Buch- und Schriftmuseum
Besprechung über zukünftige Zusammenarbeit in der Einbandforschung
Protokoll der Gespräche am 22. und 23 März 1996 in Leipzig
1. Begrüßung
Frau Helma Schaefer vom Deutschen Buch- und Schriftmuseum (Deutsche Bücherei in der Deutschen Bibliothek) begrüßt die Anwesenden im Konferenzsaal der Deutschen Bücherei. Die Zusammenarbeit mit der Wittockiana in Brüssel und die dort gezeigte Jakob-Krause-Ausstellung, bei der sie mit Konrad von Rabenau zusammengearbeitet hat, ermutige sie dazu, mit ihm zu dieser Besprechung einzuladen. Sie weist auf das Interesse der Deutschen Bücherei an einer Kooperation auf dem Gebiet der Einbandkunde hin wie sie auch durch die Papiersammlung des Museum mit den Themen Wasserzeichen, Buntpapiere und Papierhistorie betrieben wird. Der Leiter der Deutschen Bücherei, Dr. Rost, und der Leiter des Buchmuseums, Herr Poethe, lassen ausdrücklich grüßen. Im Rahmen der neuen Dauerausstellung „Buchplatz Leipzig – Merkur und die Bücher“ wird auch die Einbandgeschichte angemessen berücksichtigt.
Frau Schaefer weist darauf hin, daß in den zwanziger Jahren von dem Leiter der Leipziger Stadtbibliothek, Johannes Hoffmann, wichtige Impulse für die Einbandkatalogisierung ausgegangen sind. Er entwickelte eine Methodik der Einbandbeschreibung, auf der aufgebaut werden kann. In dieser Zeit entstand auch die Vereinigung „Meister der Einbandkunst“ (MDE) und das „Jahrbuch der Einbandkunst“. Beteiligt waren sowohl Einbandkünstler als auch Buchwissenschaftler.
Für die Teilnehmer der Besprechung hatte Frau Schaefer eine kleine Ausstellung vorbereitet, die auf die Schätze des Buchmuseums zurückgreift, u. a. wurden die 1885 erworbene Klemm-Sammlung, die Bibliothek des Börsenvereins und die planmäßigen Erwerbungen des Museums gezeigt. Besondere Aufmerksamkeit gilt der modernen Buchkunst (Kiessig, Lobisch, Nauhaus, Schultheiss). Das Museum sammelt auch die einschlägige Fachliteratur.
2. Vorstellung
Die Anwesenden erläutern ihre bisherigen Bemühungen auf dem Gebiet der Einbandforschung und nennen ihre Interessengebiete:
Herr Gerhard Karpp und Frau Sylvie Karpp-Jacottet (Leipzig, UB)
Arbeit an der Handschriften- und Inkunabelerfassung in Düsseldorf. Veröffentlichungen über Bestände des Damenstifts Essen, des Zisterzienserklosters Altenberg und von Kreuzherrenstiften am Niederrhein und Werden. Interesse an der Geschichte der Einbandtechnik, begründet durch eigene Ausbildung als Buchbinder.
Herr Dr. Kurt Hans Staub (Darmstadt LuHB)
Der Bucheinband wird zusammen mit der Makulaturforschung als Hilfe zur Bestimmung der ursprünglichen Provenienzen von Handschriften und Inkunabeln benutzt. Für die Darmstädter Handschriftenkataloge sind die Einbände aus Seligenstadt und Wimpfen bearbeitet worden.
Frau Annelen Ottermann, M. A. (Mainz, StB)
Beschreibung der Einbandsammlung ihrer Bibliothek und Veröffentlichung einzelner Stücke. Ständige Mitarbeit an „Beiträge zur Einbandkunde“ in der Zeitschrift „Philobiblon“. Interessiert an systematischer Zusammenarbeit und dem Datenaustausch über den Computer.
Frau Dr. Susanne Rothe (Berlin, Bibliothek der Akademie der Künste)
Arbeit zu den Gestalten der Tugenden und Heldinnen auf den Einbandplatten des 16. Jahrhunderts, Bearbeitung der Einbände des 16. Jh. in der Bibliothek der FU Berlin.
Herr Andreas Wittenberg (Berlin, SBB-PK)
Erfassung und Bestimmung der Einbände des 16. Jh. im Zusammenhang mit der Arbeit am VD 16 in der SBB-PK. Betreuung der Einbandsammlung.
Herr Dr. Holger Nickel (Berlin, SBB-PK)
Betreuung der Stempelsammlung von Paul Schwenke im Zusammenhang mit der Weiterarbeit am GW. Veröffentlichung des 2. Bandes des von Ilse Schunke herausgegebenen Repertoriums im Kontakt mit Dr. von Rabenau. Eigene Bearbeitung von Zwickauer Einbänden im Zusammenhang mit einem Inkunabelkatalog der Zwickauer Bibliothek.
Herr Dr. Gerd Brinkhus (Tübingen, UB)
Im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Tübinger Handschriften, Inkunabeln und Drucke des 16. Jh. Interesse an der Einbandgeschichte. Ständige Publikationen in der Zeitschrift „Restauro“. Erfassung der Stempel des 15. Jahrhunderts mit Hilfe der EDV. Besonderes Interesse an den Koperten.
Herr Dr. Konrad von Rabenau (Schöneiche bei Berlin)
Unter Zugrundelegung des Materials von Konrad Haebler und Ilse Schunke Aufbau eines Archives von Abreibungen des 16. Jh.und einer entsprechenden Sammlung für das 15. Jahrhunderts, aufbauend auf dem Material von Paul Schwenke, Ilse Schunke und eigenem Material. Dazu eine Materialsammlung aus den Einbandpublikationen für alle Perioden sowie eine Sammlung von Aufsätzen zur Einbandkunde vorwiegend des 15. und 16. Jahrhunderts.
Herr Dr. Jan Storm van Leeuwen (Den Haag, Königliche Bibliothek)
Einbandgeschichte Den Haags in 4 Bänden, Zentralarchiv von Einbanddurchreibungen der Niederlande, Schwerpunkt: niederländische Einbände bis ca. 1600. Verzeichnis von ca. 10.000 Einzelstempeln, Rollen und Platten. Einbandkatalogisierung mit Hilfe des Computers, Aufbau einer Gesellschaft für Einbandforschung in Belgien und den Niederlanden, die sich drei Projekten widmet:
- Terminologie für Einbandtechnik
- Terminologie für Buntpapier
- Terminologie der Verzierungsformen dieses Gebietes als Basis für die Erfassung der Sammlungen in Den Haag und Brüssel
3. Übersicht über die Einbanderfassung an mehreren deutschen Bibliotheken
Frau Ottermann berichtet über eine Umfrage an Bibliotheken, um den gegenwärtigen Stand der Einbanderfassung in Deutschland zu ermitteln. Von 30 zunächst angeschriebenen Bibliotheken haben 28 reagiert.
(Zu den weiteren Ergebnissen wird auf den ausführlichen Beitrag von Annelen Ottermann, Mainz, im Gutenberg – Jahrbuch 1997 verwiesen)
In der anschließenden Aussprache wurden folgende Fragen und Anregungen behandelt:
a) Die Kriterien der Sammlung und Katalogisierung sollte noch verfeinert und auch die Geschichte des Gebrauchseinbandes berücksichtigt werden.
b) Außer den großen Universitäts-, Landes- und Stadtbibliotheken sollten auch Kunstbibliotheken und Museen befragt werden. Außerdem wäre eine Feststellung der historischen Bestände wünschenswert. Sie könnte anhand des Handbuches der historischen Buchbestände in Deutschland erfolgen.
c) Vorgeschlagen wird ein DFG-Projekt im Rahmen der Quellen zur Bibliotheksgeschichte. Dabei sollten die aus der Literatur bekannten Angaben berücksichtigt werden. Anzubinden wäre das Projekt in Berlin oder Leipzig.
d) Anschließen könnte sich eine Zusammenstellung der ausländischen Sammlungen mit einem großen Anteil an deutschen Einbänden (z. B. London BL, Oxford, Bodleian Libr., Uppsala, UB).
e) Wichtig wäre es auch, die Nachlässe von Einbandforschern zu erkunden. Bekannt sind:
- Nachlaß Paul Schwenke und Ilse Schunke: Berlin, SBB-PK
- Nachlaß Konrad Haebler: Dresden, LB
- Nachlaß Ernst Kyriss: Stuttgart, LB
- Nachlaß Adolf Rhein: Erfurt, StB
- Nachlaß Paul Adam: Düsseldorf, LB
4. Besichtigung der Papiersammlung des Buchmuseums
Herr Dr. Frieder Schmidt führt durch die Sammlung und die Forschungsstelle. Sie widmet sich vor allem den seit dem 17. Jahrhundert entstandenen handgeschöpften Papieren. Von den 1.200 vorhandenen Mustern läßt sich ein Drittel auf eine Region beziehen, der Rest ist unbekannter Herkunft. Die Sammlung wird durch EDV-Einsatz erschlossen und das Ergebnis von der Firma Saur gedruckt.
Eine weitere Sammlung, die 1901 von Seegers gekauft wurde, ist den Buntpapieren gewidmet. Im Aufbau ist eine Bilddatei, für die ein Scanner zum Einsatz kommt.
Die Forschungsstelle ist auch Zentrum für den „Deutschen Arbeitskreis für Papiergeschichte (DAP)“, der mit dem Titel „DAP-INFO“ seit 1996 ein Nachrichtenblatt herausgibt.
5. Modell zur Beschreibung von Bucheinbänden
Herr Dr. Storm van Leeuwen erläutert das an der Kgl. Bibliothek in Den Haag entwickelte Modell, das mit dem Programm „Inmagic“ arbeitet und sowohl die Beschreibung verschiedener Tiefe als auch spätere Änderungen und Ergänzungen möglich macht. Es ist auf 10 Register angelegt. Die primäre Einordnung erfolgt nach der Signatur des Buches. Katalogisiert werden in Den Haag die Einbände der Handschriften, der Inkunabeln und der Einbandsammlung.
Aus der Erläuterung der benutzten Kategorien ergibt sich, daß folgende Hauptgruppen von Angaben gebildet werden:
- Bestimmung des Einbandes (Land, Ort, Buchbinder, Datierung)
- Detaillierte Beschreibung
- Literaturangaben
- Druckbeschreibung
- Eintragungen im Buch
- Bibliotheksvermerke (Stempel, Katalogvermerk)
- vorhandene Kopien, Abbildungen
- Datum der Beschreibung
Die Anwesenden begrüßen diese umfassende Ausarbeitung. Ähnliche Kategorien sollten bei entsprechenden Unternehmungen zur Anwendung kommen.
6. Bildung eines Arbeitskreises
Das Gespräch unter Leitung von Herrn Dr. Brinkhus führt zu folgendem Ergebnis:
a) Es wird ein „Deutscher Arbeitskreis zur Erfassung und Erschließung historischer Bucheinbände“ (DAEB) gebildet.
b) Der Arbeitskreis soll vor allem die durch den 2. Weltkrieg weithin unterbrochene einbandkundliche Forschung durch Information und Austausch der Forschenden fördern. Angestrebt wird auch eine Zusammenarbeit mit der ausländischen Forschung, vor allem mit dem Arbeitskreis in Belgien und den Niederlanden.
c) Hauptziel soll ein Einbandcensus sein (analog zu dem Census der mittelalterlichen Handschriften), wie er von Johannes Hoffmann in den 20er Jahren konzipiert worden ist.
d) Der Arbeitskreis will sich in der nächsten Zeit folgenden konkreten Projekten zuwenden:
Nachweis der vorhandenen Einbandsammlungen, der Bibliotheken mit historischen Einbänden und der Nachlässe von Einbandforschern
Auswahl eines geeigneten EDV-Programms für die Erfassung der Bucheinbände
Erarbeitung einer einheitlichen Terminologie für die Einbandbeschreibung (Prüfung der niederländischen Vorlage) und für die Motive auf den Stempeln, Rollen und Platten der Einbände, gesondert für die spätgotische Zeit und das 16. Jahrhundert nach der Reformation
e) Die Staatsbibliothek zu Berlin und die Deutsche Bücherei mit ihrem Buchmuseum haben ihr Interesse bekundet und Unterstützung bei der Arbeit zugesagt.
f) Finanzielle Hilfe für Tagungen, Publikationen und Forschungsarbeiten sollen bei der DFG und der Historischen Kommission des Börsenvereins erbeten werden.
g) Es wird eine geschäftsführende Kommission gebildet, die aus folgenden Personen besteht:
- Gerhard Karpp, Leipzig
- Dr. Holger Nickel, Berlin
- Annelen Ottermann, M. A., Mainz
- Helma Schaefer, Leipzig
- Dr. Konrad von Rabenau, Schöneiche bei Berlin
- Andreas Wittenberg, Berlin
Die Kommission soll zunächst folgende Aufgaben in Angriff nehmen:
- Vorbereitung einer Tagung Anfang Dezember 1996
- Bildung von Arbeitsgruppen
- Vorbereitung eines Mitteilungsblattes
h) Als Geschäftsstelle steht die
Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, zur Verfügung.
Andreas Wittenberg
Tel.: 0 30/20 15 12 39 oder
Sekretariat der Abteilung IIC
Tel.: 0 30/20 15 14 10
Fax: 0 30/20 15 17 17
Dr. Konrad von Rabenau