Aus den Sammlungen

Bucheinbände aus der Sammlung Sophia Albertina von Schweden

Die Staatsbibliothek zu Berlin hat in ihrer mehr als 360-jährigen Geschichte als Universal- und Forschungsbibliothek wertvolle Sammlungen erwerben können, die sich durch eine hohe Materialvielfalt auszeichnen. Darunter befinden sich auch Objekte mit historischen Bucheinbänden, auch wenn das Bestreben, die Bücher des Großen Kurfürsten und seiner Nachfolger einheitlich (und eben auch nachträglich) einbinden zu lassen, hier zur Zerstörung von Originaleinbänden geführt hat. Mit dem Aufbau der Einbandsammlung seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts schenkte die Bibliothek dem Thema Bucheinbände als Sammlungsgegenstand besondere Aufmerksamkeit. Sie gehört zu den bedeutendsten in Deutschland. Aber auch andere Sammlungen der Staatsbibliothek bewahren Zeugnisse besonderer Bucheinbände, bis in die Gegenwart.

Vielfalt entdecken in der Einbandsammlung

Den Grundstein der Einbandsammlung legte der Bibliothekar Max Joseph Husung (1882-1944). Als Experte für Inkunabeln und Bucheinbände förderte und unterstützte er die Anerkennung der kunst- und kulturgeschichtlichen Bedeutung von Einbänden. Bereits 1916 veranstaltete die Königliche Bibliothek eine Ausstellung von Bucheinbänden, die einen Einblick in die Entwicklung des europäischen Bucheinbands vom frühen Mittelalter bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab. Es entstand ein erster Zettelkatalog, der Wissenswertes über Werkstätten, Entstehungszeit und -region mit technischen Besonderheiten der Ausstellungsstücke zusammenführte. Es kann vermutet werden, dass diese Zusammenstellung als eine Keimzelle der Einbandsammlung anzusehen ist. 1925 erschien Husungs Grundlagenwerk „Bucheinbände aus der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin“; ein weiterer, den orientalischen Einbänden gewidmeter Band, kam leider nicht mehr zu Stande.

Die Einbandsammlung entwickelte sich durch systematische Durchsicht bereits vorhandener Bestände sowie durch gezielte Neuankäufe. Maßgeblich für die Aufnahme in die Sammlung ist die Gestaltung des Einbandes, unabhängig vom Inhalt des Buches. Heute umfasst die Sammlung rund 1.800 Objekte aus fünf Jahrhunderten vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Hierzu zählen sowohl künstlerisch gestaltete Verlagseinbände als auch moderne Handeinbände. Einbände aus früheren Jahrhunderten bzw. mit Bezug zu Sondermaterialien werden in den entsprechenden Sonderabteilungen aufbewahrt.

Quelle:
Loubier, Hans: Eine Ausstellung von Bucheinbänden in der Königlichen Bibliothek in Berlin. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 35  (1917) S. 12-20

Die Einbandsammlung im Bibliothekskatalog ‚StaBiKat Classic‘
Digitalisierte Ausgaben (56)

Zeitgenössische Einbände aus den Sammlungen für Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucke

Im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin befinden sich viele originale Einbände aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Der größte Teil weist exemplarspezifische Besonderheiten auf, wie charakteristische Stempel-, Rollen- und Plattenverzierungen, handschriftliche Bemerkungen oder Provenienzeinträge der Vorbesitzergenerationen. Auch Lederschnittbände sind vertreten. Neben Exemplaren aus dem Gründungsbestand der Churfürstlichen Bibliothek, stammen bedeutende Teile aus Gelehrtenbibliotheken sowie aus geistlichen und weltlichen Institutionen. Bücher wurden in der Frühen Neuzeit ohne Einband zum Verkauf angeboten; das Einbinden oblag dem Käufer. Hieraus erklären sich regionale Besonderheiten oder persönliche Vorlieben.

Diese Einbände sind Gegenstand der vielerorts angelegten Durchreibungssammlungen, da sie zumeist Blindprägungen als Verzierungen aufweisen. Die verwendeten Werkzeuge lassen Rückschlüsse auf Region, Entstehungszeit der Einbände und die verantwortlichen Buchbinderwerkstätten zu.

632 Einbände aus dem Bestand sind über die Einbanddatenbank beschrieben, darunter 436 Handschriften und Inkunabeln. Im Handschriftenportal sowie im StaBiKat-Classic sind weitere Einbandbeschreibungen recherchierbar.

Digitalisate: Handschriften | Inkunabeln | Drucke des 16. Jahrhunderts (VD16)

Klassizistische Einbände aus der Aldinen-Sammlung

Besonders kunstvolle verschiedenfarbige Buchrücken in strahlendem Rot, Blau, Grün und Braun inkl. goldenen Verzierungen auf allen sichtbaren Teilen der Einbände zeichnen einen Großteil der in ausgezeichnetes Maroquin gebundenen insgesamt 1.088 Aldinen im Bestand der Staatsbibliothek aus. Neben Steh- und Innenkanten, Kapitalen, Dublüren und Vorsätzen weisen vor allem die Buchrücken Verzierungen auf, oft nennt sich der Buchbinder hier selbst. Die Einbanddeckel sind an den Rändern geschmückt. Vorsätze und Spiegel aus Seide wechseln mit Marmorpapier oder Pergament.

Die Bände waren Teil der Privatbibliothek des Grafen Etienne de Méjan (1766-1846). Mejan war Rechtsanwalt, Sekretär von Eugene de Beauharnais (ein Ziehsohns Napoleons) und ein bibliophiler Sammler. Seine Einbände ließ er von den berühmtesten Pariser Buchbindern seiner Zeit anfertigen. Daher ist die Sammlung auch ein wichtiges Zeugnis der französischen Buchbinderkunst im frühen 19. Jahrhundert. Die von ihm beauftragten Buchbinder beeinflussten den gesamten europäischen Einbandstil. Mejan stellte hohe Ansprüche. Für seine Sammlung bevorzugte er François Bozérian, der mit 250 Bänden vertreten ist. Weitere prominente Namen sind René Simier und Alphonse Simier (100 Bände) sowie der in Mailand wirkende Luigi Lodigiani (50 Bände).

Nach Méjans Tod erwarb der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Drucke für die Königliche Bibliothek.

Quelle:
Wittenberg, Andreas: Die Bucheinbände. In: Im Zeichen von Anker und Delphin. Leipzig: Faber & Faber, 2005. S. 18-38

Aldinen im Bibliothekskatalog ‚StaBiKat Classic‘

Rokokoeinbände aus der Bibliothek Sofia Albertinas von Schweden

Diese Sammlung, auch Prinzessinnenbibliothek genannt, entstand aus der Privatbibliothek der schwedischen Prinzessin und letzten Äbtissin des Reichsstifts Quedlinburg Sofia Albertina (1753-1829). Sie enthält auch Exemplare aus dem Besitz ihrer Mutter, der schwedischen Königin Luise Ulrike von Preußen und ihrer Großmutter, der preußischen Königin Sophie Dorothea von Hannover. Viele der insgesamt 4.500 Bände sind kunstvoll im Stil des Rokokos eingebunden und enthalten u.a. die Initialen Sophia Albertinas S.A oder ein gekröntes Supralibros. Durch die Vorgaben an die beauftragten Buchbinder gibt die Bibliothek den Geschmack der Prinzessinnen wieder. Während Luise Ulrike braunes Leder bevorzugte, dominiert Rot bei den Bänden Sofia Albertinas. Einen besonderen Wert haben auch dreizehn unikale, auf Seide gedruckte Huldigungsschriften der Stadt Quedlinburg (z.B. Lied der Freude), die anlässlich des Einzugs Sophia Albertinas als Äbtissin in das Reichsstift Quedlinburg 1787 geschaffen wurden sowie ein Einband des Londoner Buchbinders John Wilson aus weinrotem Maroquinleder mit Vergoldungen und Marmorpapier. Ein edles und zugleich schlichtes Bändchen stellt ein Theaterstück zum Besuch Luise Ulrikes 1771 in Berlin dar, das zur Aufführung in gelbe Seide gebunden an die Ehrengäste verteilt wurde. Andere Einbände stammen von den schwedischen Hofbuchbindern Christoph Schneidler und Hans Christoph Richter. Bemerkenswert ist eine in Rot gebundene sechsbändige Ausgabe der Fabeln de la Fontaines mit üppiger Goldverzierung.

Quelle:
Trojahn, Silke u. Andreas Wittenberg: Die Prinzessinnenbibliothek. Leipzig: Insel Verlag, 2019. S. 25f, S. 51f., S. 121 f.

Die Bücher der Prinzessinnen im Bibliothekskatalog ‚StaBiKat Classic‘
Digitalisierte Ausgaben (268)

 

Künstlerische Einbände des 20. Jahrhundert aus der Bibliothek Kaiser

Zahlreiche Einbände der modernen Buchkunstbewegung und künstlerisch gestaltete Verlagseinbände des 20. Jahrhunderts enthält die ca. 40.000 Drucke umfassende Gelehrtenbibliothek des Literaturwissenschaftlers Bruno Kaiser (1911-1982). Er war maßgeblich an der Gründung der bibliophilen Pirckheimer-Gesellschaft beteiligt und von 1956-1981 ihr erster Vorsitzender.

Kaisers Hauptinteresse als Sammler galt sowohl den unscheinbaren, aber inhaltlich gewichtigen Werken als auch illustrierten, schön gebundenen oder bibliophilen gedruckten Ausgaben. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der deutschen Literatur und erstreckt sich auch auf 2.600 Kinderbücher.

Eindrucksvolle Beispiele der Buchkunstbewegung findet man in dieser Sammlung. So waren bedeutende Künstler auch als Einbandzeichner und Illustratoren tätig, beispielsweise Karl Walser, Hans Meid, Max Pechstein, Rudolf Schlichter oder George Grosz. Besondere Erwähnung bedarf eine der wenigen Arbeiten von Käthe Kollwitz für ein Buch: Heinrich Manns Die Armen. Ebenso von Interesse sind die Werke Walter Mehrings, Kurt Schwitters und Else Lasker-Schülers – sie zeichneten die Umschläge zu ihren Büchern selbst.

Die politische Fotomontage, bekanntgemacht durch John Heartfield, fand auch für die Einband- und Umschlaggestaltung Verwendung. Eindrucksvolle Beispiele junger Künstler wie Paul Urban, Fritz Stammberger, Peter Pewas, Werner Eggert und Günther Wagner sind in der Sammlung vertreten.

Quelle:
Fliege, Jutta: Bibliothek Kaiser. In: Ex Bibliotheca Regia Berolinensis. Wiesbaden: Reichert, 2000. S. 176f.

Exemplare der Bibliothek Kaiser im Bibliothekskatalog ‚StaBiKat Classic‘ | Auswahl im Einbandwiki

Jugendstileinbände aus der Sammlung Graham Dry

Im Jahr 2017 erwarb die Staatsbibliothek die von dem Kunsthistoriker Graham Dry zusammengetragene ca. 11.000 Bände umfassende Jugendstilbibliothek. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Bände deutscher Belletristik in den originalen, künstlerisch gestalteten Verlagseinbänden und Buchumschlägen. Die Sammlung ist nach Buchgestaltern bzw. Verlagen geordnet und damit eine hervorragende Quelle für die Jugendstil-Forschung und gleichzeitig die gesamte Buchproduktion um die Jahrhundertwende. Bei der Erschließung dieser herausragenden Sammlung werden erstmals Buchbinder, Herstellerfirmen und vor allem Einbandgestalter mit ihren Signaturen bzw. Monogrammen auch in der Gemeinsamen Normdatei erfasst.

Einbandgestaltungen namhafter Künstlerinnen und Künstler sind in der Bibliothek enthalten, wie Peter Behrens, Käte Waentig oder Henry van de Velde. Aber auch Einbände unbekannter Künstler wurden gesammelt. Viele junge Maler und Graphiker verdienten in den ersten Jahren ihres Schaffens Geld mit der Gestaltung von Bucheinbänden, darunter nicht wenige, die Opfer des Ersten Weltkriegs wurden und deren Identität heute nur anhand der Initialen auf den Einbänden ermittelt werden kann. Interessant sind auch die Exemplare der Kommissionsbuchhändler Karl Franz Koehler und Friedrich Volckmar. Sie kauften von Verlagen ungebundene Buchblöcke gut verkäuflicher Titel und beauftragten Buchbindereien mit eigens dafür entworfenen Einbänden.

Weitere Informationen:
Dry, Graham: Orchideen als Buchschmuck eines ‚Orchideenfaches‘. In: Bibliotheksmagazin. (2018) 2, S. 5-10

Exemplare der Sammlung Graham Dry im Bibliothekskatalog ‚StaBiKat Classic‘.  Eine Auswahl wird im Einbandwiki gezeigt.

Vielfältige Einbände aus weiteren Sondersammlungen

Historische und künstlerisch wertvolle Originaleinbände finden sich nicht nur in den Sammlungen der Historischen Drucke, Abendländischen Handschriften oder Inkunabeln, sondern auch in weiteren Sondersammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin. Darunter sind Exemplare aus den Musiksammlungen, der Kinder- und Jugendbuch– sowie der Orient– und Ostasiensammlungen. So gibt es einige wenige Prachteinbände, orientalische Schriftrollen, die in perfekt passenden Behältnissen aufbewahrt werden, ostasiatische Handschriften in Einbänden aus feinem Gewebe und Verlagseinbände für Kinderbücher, die besonders farbig gestaltet wurden. Auch Atlanten können interessante Einbände aufweisen, allen voran der große Kurfürstenatlas.

Mehr zu den verschiedenen Sammlungen der Staatsbibliothek, die in Bezug auf historische Bucheinbände von Interesse sind, können Sie im Webauftritt der Staatsbibliothek erfahren und beim Stöbern in den Digitalisierte Sammlungen entdecken. Interessante Lektüre stellt auch dieser Aufsatz Hans Loubiers im ZfB aus dem Jahr 1917 dar. Er berichtet von einer Einbandausstellung der Königlichen Bibliothek, inkl. vieler Beispiele, nicht zuletzt aus der Ostasiatischen und Orientsammlung.

Mehr über orientalische Bucheinbände erfahren
Mehr zum Kurfürstenatlas erfahren im Bibliotheksmagazin (2016) S. 17-22