Verlagseinbände
Verlagseinband mit Goldprägung von J. F. Steinkopf in Stuttgart aus dem Jahr 1868 – Signatur: 50 MA 47760 : R
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Buch durch industrielle Herstellung zur Massenware. Zahlreiche technische Neuerungen vereinfachten und veränderten den Herstellungsprozess und das Verlagswesen. Seit dieser Zeit wurden Bucheinbände von den Verlagen in Serie produziert. Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt einen überaus umfangreichen Bestand an Drucken des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und ist im Rahmen der AG Sammlung Deutscher Drucke für den Zeitraum 1871-1912 zuständig, was die laufende Erwerbung von vielfältigen Verlagseinbänden zur Folge hat. Sie engagiert sich zudem in der schonenden Reparatur und Erhaltung dieser Einbände. Parallel dazu werden Daten zu Künstlern, Buchbindereien, Material bzw. Farbe erfasst. Die Datensammlung innerhalb des Bibliotheksverbundes bildet die Grundlage für eine tiefere wissenschaftliche Erschließung und Erforschung dieses Einbandtyps.
Die Geschichte der Verlagseinbände
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstand im Zusammenhang mit der Entwicklung des maschinellen Buchdrucks ein größerer Bedarf an Buchbindereien. Die Handbuchbindereien konnten die Nachfrage bei weitem nicht mehr befriedigen. Neu war, dass Verlage Buchbindereien beauftragten und sich dann um den Vertrieb der gebundenen Bücher kümmerten. Zuerst wurden in manufakturartig organisierten Buchbinderwerkstätten kleinere Reihen identisch gebundener Bücher hergestellt. Als Vorform der Verlagseinbände gelten einfache bedruckte Papierbände. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Buchherstellung immer weiter mechanisiert, sodass immer größere Auflagen produziert werden konnten und die Preise für ein Buch sanken und somit erschwinglich für die Massen wurden. Die Entstehung der industriellen Buchproduktion aus dem Handwerk ist Teil der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Immer mehr maschinell gefertigte Bucheinbände, die die Kunden gleich mit dem Buch erwarben, kamen in den Handel. Besonders ökonomisch günstig war die Verwendung von Serieneinbänden, mit denen für verschiedene Ausgaben (auch bei Schriftenreihen) der gleiche Einbandentwurf genutzt werden konnte. Diese Einbandart verwendeten zum Beispiel Kommissionsbuchhändler, die Buchblöcke gut verkäuflicher Titel von den Verlagen ankauften und anschließend von Auftragsbuchbindereien binden ließen. Anders als in vielen Bereichen der Industrie blieb die manuelle Herstellung von Büchern parallel zur maschinellen bis in die Gegenwart erhalten. Die beiden Bereiche lassen sich heute klar aufteilen: Die massenhafte Herstellung erfolgt ausschließlich maschinell. Manuell werden dagegen wertvolle Kleinserien oder Einzelstücke angefertigt, häufig mit künstlerischem Anspruch.
Abbildungen rechts: Vom Wandel eines Handwerks: Eine Buchbinderwerkstatt in Nürnberg zu Beginn des 17. Jahrhunderts und eine industriell arbeitende Großbuchbinderei in Leipzig um 1900
Terminologie
Deckeneinband
Der Verlagseinband wurde anders als der traditionell manuell gebundene Handeinband gefertigt. Bei traditionell gebundenen Handeinbänden werden zunächst die beiden Buchdeckel mit den Bünden verbunden. Dann wird der Rücken befestigt. Danach wird der Bezug angebracht, häufig aus Leder oder Pergament. Zum Schluss wird das bezogene Buch mittels verschiedener Buchbinderwerkzeugen zum Beispiel mit Goldprägung verziert. Bei Verlagseinbänden wurde dagegen zunächst die Einbanddecke gefertigt. Sie besteht aus den beiden Deckeln und dem Rücken sowie dem Bezugsmaterial meist aus Gewebe. Es wird dazu die Bezeichnung Deckeneinband benutzt, eine Bezeichnung also für die Technik der Herstellung. Die Einbanddecke wurde in einem Arbeitsschritt mittels maschineller Prägung verziert. Dann wurde die fertig verzierte Einbandecke mit dem Buchblock verklebt. Da die Verbindung zwischen Buchblock und Einbanddecke häufig nicht sehr stabil war, gibt es heute eine Vielzahl von gerissenen Verbindungen bis hin zu völlig gelösten Buchblöcken. Fertige Einbanddecken konnten im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert auch separat bestellt werden.
Kommissionseinbände
Kommissionseinbände sind industriell gefertigte Bucheinbände, bei denen Buchblöcke gut verkäuflicher Literatur von Kommissionsbuchhändlern gekauft wurden. Diese Bücher erhielten eigene Einbandentwürfe, die parallel zu von den Verlagen beauftragten Einbänden entstanden.
Maschineneinband
Die Bezeichnung Maschineneinband wird gelegentlich als Synonym für Verlagseinband benutzt. Allerdings waren im 19. Jahrhundert noch nicht alle Arbeitsgänge bei der Produktion von Einbänden mechanisiert. Es gab einen hohen Anteil manueller Arbeiten zum Beispiel beim Falten von Papierbögen, so dass der Begriff unscharf bleibt.
Serieneinbände
Serieneinbände sind Bucheinbände, bei denen für unterschiedliche Bücher der gleiche Einbandentwurf genutzt wurde. Meist wurden nur Titel bzw. Autor an den Inhalt angepasst. Serieneinbände garantieren die Wiedererkennbarkeit von Werk- oder Reihenausgaben. Außerdem werden die Kosten für den Einbandentwurf verringert.
Verlagseinband
Der Verlagseinband (engl. publisher’s binding, franz. reliure d’éditeur) bezeichnet Bucheinbände, die im Auftrag eines Verlags hergestellt wurden. Diese werden in serieller Fertigung maschinell produziert. Der Verlag ist meist auch für den Entwurf des Einbands verantwortlich.
Verlegereinbände
Verlegereinbände sind dagegen einzelne im 15. Jahrhundert in kleiner Serie handwerklich gefertigte Einbände. Drucker, die auch als Verleger auftraten, wie beispielsweise Peter Schöffer oder Anton Koberger, beauftragten bei kostspieligen Werken Buchbindereien für deren Herstellung.
Kennzeichen: Monogramme, Initialen und Signets
Heute stehen bei Büchern alle Informationen zu den Personen, die etwas zum Buch beigetragen haben, im Impressum: ISBN, Papiersorte, verwendete Schriftart, Designer des Einbands usw. Bei historischen Verlagsproduktionen ist das schwieriger. In vielen Fällen findet man nicht einmal ein Erscheinungsjahr. Es gibt jedoch eine Reihe anderer Stellen, auf denen sich Informationen finden lassen, wenn aufmerksam gesucht wird. So haben sich die Buchbindereien auf dem hinteren Einband verewigt, häufig unscheinbar als winzige Blindprägung. Auch eingeklebte kleine Schildchen waren üblich.
Die Ermittlung der Gestalter von Einbänden kann schwieriger sein. In einigen Fällen ist der Künstler im Kolophon oder auf der Titelseite genannt. Doch gibt es auch auf dem Einband versteckte Hinweise: Monogramme oder Signets von Künstlern. Monogramme lassen sich unter anderem mittels Monogramm-Lexika zuordnen. Diese können aber auch nach neueren Erkenntnissen fehlerhaft sein. Außerdem geben sie häufig keine nachvollziehbaren Quellen für die Zuordnung der Monogramme an. In glücklichen Fällen findet sich der Name des Künstlers im Buch selbst: So kann das Monogramm „P“ auf dem vorderen Deckel mittels „Einbandzeichnung von Emil Preetorius“ auf der Rückseite des Titelblatts zugeordnet werden.
Materialien und Surrogate
Das Gewebe Kaliko wurde zuerst für Bucheinbände in England ab Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet und wurde auch in Deutschland das am meisten verwendete Material für historische Verlagseinbände. Es ermöglichte zunächst als Surrogat (Ersatzmaterial) für Leder die preiswertere Herstellung von Einbänden. Jedoch wollten die Verlage die Herausgabe von Büchern mit Einbänden in noch größeren Stückzahlen und prächtigeren Einbänden. Die Erfindung neuer Maschinen für die maschinelle Buchproduktion wurde so für viele Maschinenbaufirmen rentabel. Die Verwendung dieser Maschinen erlaubte es nicht nur, handwerklich notwendige Arbeitsschritte, wie das Prägen, Beschneiden, Falten und Binden deutlich zu beschleunigen und zu verbilligen. Für Bucheinbände war mit maschinellen Techniken eine Nachbildung von im Handwerk verwendeter Naturmaterialien, die wertig wirkten, möglich. So konnte Leder mittels speziell bearbeiteter Gewebe (Appretur), hier vor allem Kaliko, oder Gold mittels verschiedener Surrogate optisch nachgebildet werden. Eine Goldprägung ist beim Verlagseinband also in den meisten Fällen nicht mit Gold gearbeitet worden, sondern mit verschiedenen goldfarbenen Bronzelegierungen, dem sogenannten Kompositionsgold oder Rauschgold.
Ausstattungsvarianten
Anders als heute, wenn Hardcover- und Paperback-Ausgaben zeitlich getrennt nacheinander veröffentlicht werden, wurden im 19. Jahrhundert gleichzeitig mehrere Ausstattungsvarianten mit unterschiedlicher Wertigkeit und Preisen angeboten und in Verlagswerbungen in den Büchern beworben. Gebräuchlich waren zum Beispiel Anfertigungen in Leder mit Goldprägung, mit Gewebe und Farbprägung oder eine einfache Papierausstattung.
Verschiedene Einbandvarianten des gleichen Werkes werden im Wiki Einbandforschung des GBV aufgeführt:
- Unterschiedliche Bezugsmaterialien (Papier, Gewebe, Leder)
- Unterschiedliche Einbandart (Broschur, Hardcover)
- Unterschiedliche Farbgestaltung
- Unterschiedliche Gewebefarben
Abbildungen rechts: Einbandentwurf von Hugo Steiner-Prag in drei Varianten der Bezugsmaterialien zu E. T. A. Hoffmanns Die Elixiere des Teufels(1907)