Zeitreise
Bucheinbände verschiedener Jahrhunderte aus der Einbandsammlung
Mit Bucheinbänden durch die Jahrhunderte
Bucheinbände wandelten nach den jeweiligen kulturellen, politischen und regionalen Einflüssen im Laufe der Zeiten ihre äußere Gestalt. Ausschlaggebend waren zudem persönliche Vorlieben, Aufbewahrungs- und Benutzungsmodalitäten, die Verfügbarkeit, Fertigkeiten und Kapazitäten von Buchbindern sowie die finanziellen Möglichkeiten der jeweiligen Buchbesitzer. Auch Einflüsse und Moden aus angrenzenden Ländern spielten eine Rolle. Aber wann war für einen Bucheinband welche Gestaltung und Ausstattung maßgeblich? Wir geben einen kurzen Überblick in die Entwicklung und Geschichte des Bucheinbandes im deutschsprachigen Raum.
Bucheinband in Mittelalter und Renaissance
Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit wurde der Buchblock (die bedruckten, gefalzten und gehefteten Bögen des Buches) üblicherweise ohne Einband vertrieben. Kaufte man ein Buch, musste man den Bucheinband daher individuell bei einem Buchbinder in Auftrag geben. Bei historischen Bucheinbänden der Vormoderne handelt es sich also um Einzelanfertigungen, weshalb sie auch als Handeinbände bezeichnet werden. Konnte und wollte man es sich leisten, ließ man den Einband aufwändig verzieren, was großes handwerkliches Geschick erforderte.
Deutsche Buchbinder verwendeten für die Buchdeckel Holz, Schweins-, Rindsleder oder Pergament für den Bezug. Die querverlaufenden aus Hanfschnüren bestehenden Bünde waren am Buchrücken sichtbar. Buchschließen sollten vor Schmutz und Feuchtigkeit schützen, Mittel- und Eckbeschläge aus Messing geben Auskunft über die ursprünglich liegende Aufbewahrung der Bände. Verziert waren die gotischen Einbände mit Blindpressungen von Einzelstempeln. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich bedingt durch Humanismus und Reformation jedoch ein besonderer Stil, der figurale oder Wittenberger Stil. So wurde das 16. Jahrhundert zu einer Blütezeit des Buchbinderhandwerks. Derartige in Deutschland hergestellte Einbände sind Forschungsgegenstand der Einbanddatenbank. Originale Renaissanceeinbände aus Frankreich oder Italien weisen Unterschiede in äußerem Dekor, den verwendeten Materialien und differenzierteren Techniken auf. Einen großen Einfluss auf das europäische Buchbinderhandwerk hatte der orientalische Stil, der vor allem in Italien beliebt war.
Bucheinband in Deutschland 17. und 18. Jahrhundert
Die gewaltige Katastrophe des 30-jährigen Krieges wirkte sich auch auf das Buchwesen im damaligen Deutschland aus. Das Land war völlig verarmt, überall herrschte blanke Not. Die Buchbinder griffen auf leicht beschaffbares und möglichst preiswertes Material zurück. Pergament als Deckelbezug verdrängte zunehmend Schweins- und Rindsleder. Die Buchdeckel blieben oft unverziert, lediglich der Rücken wies einzelne Schmuckelemente oder eine Vergoldung auf. Ein eigenständiger Einbandtypus entwickelte sich nicht, die Buchbinder griffen zunächst auf traditionellen Schmuck zurück. Etwa ab der Mitte des Jahrhunderts setzte eine vorsichtige Anlehnung an den französischen Bucheinband ein, blieb allerdings häufig auf einem niedrigeren Niveau. Die monastischen Werkstätten verloren weiter an Bedeutung. Lediglich in wenigen Klöstern (z.B. im Benediktinerkloster Tegernsee) wurden qualitativ hochwertige Bucheinbände gefertigt. Nach der Jahrhundertwende setzte eine Konsolidierung ein, die sich auch in der Einbandkunst zeigte. Immer mehr traten nun auch in Deutschland Mäzene auf, die sowohl aus dem Hochadel, aber auch aus dem Bürgertum kamen. Der französische Einfluss war weiter von großer Bedeutung, aber nun traten daneben auch eigenständige Entwicklungen. Für einfache Einbände, für die die Verwendung von Leder oder Pergament zu kostspielig war, wurde nun verstärkt ein Material verwendet, das bereits im 17. Jahrhundert zur Anwendung kam – das Buntpapier. Diese Papiere waren, bis auf wenige Ausnahmen, schnell und preiswert herzustellen, eigneten sich besonders für ephemeres Material, z.B. Kalender oder Kataloge.
Bucheinband in der Neuzeit
Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte die Herstellung von Bucheinbänden dem in den Jahrhunderten zuvor bewährten Muster. Die Einbandgestaltung in der Zeit des Klassizismus war in Europa vor allem von englischen und französischen Stilrichtungen geprägt. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden manufakturartige Betriebe, die im Auftrag von Verlagen Bücher mit gleichen Einbänden in Kleinserie herstellten. Als Vorform der Verlagseinbände gelten einfache bedruckte Papierbände. Mit der Entwicklung des maschinellen Buchdrucks entstand gleichzeitig ein größerer Bedarf an Buchbindereien. Neu war, dass Verlage Buchbindereien beauftragten und sich dann um den Vertrieb der gebundenen Bücher kümmerten. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Buchherstellung weiter mechanisiert, so dass immer größere Auflagen produziert werden konnten und die Preise für ein Buch sanken und somit erschwinglich für die Massen wurden. Im Gegenzug zur industriellen Buchproduktion gab es eine Bewegung, die weiterhin eine höherwertige Qualität der Buchproduktion zum Ziel hatte. Privatpressen, die Bücher in kleineren Stückzahlen für ein ausgewähltes Publikum produzierten, spielten hier eine große Rolle. Wichtige Zäsuren in der Buchherstellung im 20. Jahrhundert stellten der Erste und Zweite Weltkrieg dar, denn es wurden aufgrund der Kriegswirtschaft kaum noch künstlerisch anspruchsvolle Einbände produziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Buchproduktion in Deutschland zu großen Teilen neu aufgebaut werden. Eine stilistische Vielfalt prägte die Gestaltung der Einbände mehr und mehr. Immer wichtiger wurden typographische Details. Die Verwendung auffälliger grafischer und fotografischer Elemente sind zu beobachten. Diese ausschließliche Konzentration auf das Visuelle kommt heute dem E-Book zugute.